Über die Sprache im Ruhrpott

Die Sprache des Ruhrgebiets klingt für Außenstehende wie ein Geburtsfehler, der auch durch das inzwischen gewachsene dichte Netz von Hochschulen und Universitäten nicht behoben werden kann. In Wahrheit ist sie dem Diktum der hochsprachlichen Dudenkonferenz weit überlegen, weil sie die Grammatik für die kommunikativen Anforderungen des eigentlichen Lebens umdeutet. Anders ausgedrückt: Mit`m Messer im Rücken brauch´se kein Genitiv. Wie das funktioniert, wird vielleicht an einem kleinen Dialog deutlich, den die Herren Wer, Wem und Ihn bestreiten:

Wem: Wem hört der Pudel am Zaun?
Ihn: Ihm seiner!
Wer: Ne, Ich!
Wem: Ich denke Ihm!
Ihn: Ne, Er!
Wem: Der hätte mich beinah gebissen, am unteren Ende von den Bein!
Ihn: Von dem Bein!
Wem: Das war aber auf die Schneide von dem Messer!
Ihn: Von wem sein Messer?
Wer: Ich!
Wem: Wie, Ich?
Wer: Dafür bin ich zuständig. Das heisst: Von das Messer!
Ihn: Wat denn getz?
Wem: Das war auf jeden Fall knapp!
Ihn: Das also ist dem Pudel sein Kern.
Wer: Ich!
Wem: Falsch! Das heisst nicht: Dem Pudel sein Kern. Das heisst: Dem Pudel sein Kerl!
Wer: Ich!
Wem: Sag ich doch!

Das war es, was der berühmte Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein bei einem Besuch in Gelsenkirchen erlebt haben muss, als er dann seine berühmte These formulierte: „Jede sprachliche Äußerung, die ein Dritter versteht, ist angemessen.“